Das ZPS hat den Regeln für erfolgreiche Marketingkampagnen folgend immer wieder gleiche Bilder und Textbausteine verwendet, wobei die Texte immer wieder neu kombiniert wurden.
Hier sieht man einen Frame aus dem Promotion-Video zur Kampagne.
Die Bilder und Buchseite/-Einband wurden zu Vorder- und Hintergrundgrafiken der verschiedenen Websites. Dazu gehört auch das Bild links oben, das auf mehreren Webseiten als Hintergrundgrafik eingebunden wurde.
Im Aufbau der derzeitigen Website [1] liegt das Bild zwischen zwei Textblöcken. Welche Verbindung hat das Bild zum umgebenden Text?
Der erste Textblock mit dem Titel „Die Verbrannten liegen überall“ endet mit folgenden Worten: „In 175 der Proben fanden sich Hinweise auf menschliche Überreste. Die ungewollten Unruhestätte, von der Welt völlig vergessen, vom deutschen Staat nie gesucht, von der Öffentlichkeit verdrängt. Es gibt Tausende davon. Seit einem Dreivierteljahrhundert hätte man nach ihnen suchen müssen.„
Der unter dem Bild liegende Textblock hat den Titel „Der Damm bei Harmense„. Damit folgt auf die allgemeine Schilderung ein konkretes Beispiel, und das Bild ist eine Illustration des vorangehenden Textes, der mit „…hätte man nach ihnen suchen müssen“ endet und offensichtlich keine Verbindung zu einem Damm hat.
Tatsächlich könnte man meinen, im Foto suchen drei Personen, so wie das ZPS fordert, nach Gräbern. Vielleicht haben die Abgebildeten eine Grube ausgehoben, um Leichenteile zu finden.
Eine Bildersuche führt erst nach Belgien, dann nach Polen. Dort ist das Bild beliebt bei Nationalisten, die in der Debatte um das Verhalten einiger Polen nach 1945 eine Diffamierung ihrer Nation sehen. Sie zeigen es, weil links oben ein Rotarmist zu erkennen ist, und verteilen es sogar im Postkartenformat.
Die Postkarte zeigt mehr, als das ZPS uns mit dem Foto des Buchbandes aus dem Frame des Videos gönnt. Wir sehen den Hintergrund: Die Personen befinden sich in der Nähe, aber außerhalb der Einzäunung des Lagers Auschwitz-Birkenau. Es ist nach der Befreiung, wie der Rotarmist zeigt.
Was genau machen die Personen auf dem Bild, die das ZPS in Verbindung mit den Gräbern, nach denen man hätte „suchen müssen„, bringt?
Die Person in der Mitte, möglicherweise auf einem Brett hockend, mit einer Schüssel, die sie mit links hält, an der Wasseroberfläche , während die rechte Hand am Schüsselrand
entlang streicht. Wäre dies ein Video, wir würden ein Geräusch hören. Und das Geräusch würde Erinnerungen an unsere Kindheit wecken, in der wir alle mal Goldwäscher spielten.
Ja. Was wir sehen, ist die Suche nach Gold.
Werden Leichen verbrannt, bleibt zurück, was nicht verbrennen will oder kann. Knochen. Implantate. Goldzähne. Es gehörte zu den fürchterlichen Aufgaben des Sonderkommandos, in der frischen Asche nach Goldzähnen zu suchen. Das Deutsche Reich brauchte Geld, auch wenn das nicht Verbrannte unveräußerlich dem Toten gehört. Nicht alle Goldzähne wurden gefunden, und so begann mit der Befreiung die „schwarze Archäologie“ durch die Friedhofshyänen, wie die Grabräuber in Polen genannt werden.
Imke Hansen liefert uns in „Nie wieder Auschwitz“ [2] auf Seite 91 den Beleg für die furchtbare Vermutung. Die Bildunterschrift lautet: „Rotarmisten außerhalb des Zauns von Birkenau auf der Suche nach Gold“.
Imke Hansen hat sich eingehend mit der Geschichte von Auschwitz nach der Befreiung befasst. Sie schreibt:
„Zur Verwüstung des Lagergeländes trugen auch Grabräuber maßgeblich bei, im Polnischen »Friedhofshyänen« genannt, welche die Massengräber und Aschefelder nach Goldzähnen und anderen Wertsachen durchsuchten. Einer der ersten Mitarbeiter des Museums, der ehemalige Häftling Stanisław Hantz, berichtete: »Der Kampf mit den Friedhofshyänen war eine furchtbare Sache. Sie gruben in den menschlichen Überresten nach Kostbarkeiten«. Sein damaliger Kollege Henryk Porębski beobachtete, dass die »Goldsucher« ganze Schichten von Erde und Asche abtrugen, so dass sich die Oberfläche des Geländes wesentlich veränderte.“
Und weiter schreibt sie:
„Die Behörden waren sich des Problems durchaus bewusst, wie aus einem Schreiben des zuständigen Krakauer Wojewodschaftsamts an das Ministerium der Öffentlichen Verwaltung vom September 1945 hervorgeht. Der Krakauer Wojewode berichtete, dass in Birkenau Leichen ausgegraben und ihnen die Goldzähne aus den Kiefern gebrochen würden, wobei unter den Plünderern auch Angehörige der Roten Armee gewesen seien. Selbst der Ministerrat befasste sich mit dem Thema. Während einer Sitzung im Februar 1946 hieß es über Birkenau, »dass die Leute dort herumlaufen und die Asche auf der Suche nach Gold durchsieben«. Kriminelle Aktivitäten wie diese beschränkten sich nicht auf das Gelände innerhalb des Zauns, sondern betrafen alle Felder, auf denen Asche aus den Krematorien vermutet wurde, ja sogar das Flussbett der Sola, in welche die deutschen Besatzer ebenfalls Asche und nicht vollständig verbrannte Überreste geschüttet hatten.“
Nun haben wir einen Eindruck davon, was das Bild zeigt: Grabräuber, die nach Gold aus den Zähnen der Ermordeten suchen.
Wie schrieb das ZPS?
„Seit einem Dreivierteljahrhundert hätte man nach ihnen suchen müssen.“
Dann folgt das Bild. Aber darin sucht niemand nach Gräbern. Und auf diese Weise wird man nie nach Gräbern suchen.
Ich weiss nicht, was das ZPS mit diesem Bild bezweckt; ich weiß nicht, welchen Zusammenhang sie fantasieren: Denn sie wissen nicht, was sie tun.
Hinweis: Dieser Text wurde zuerst auf Twitter veröffentlicht und hier leicht überarbeitet. Dank an @wumpatz11, der das Bild im Band von Imke Hansen fand.
[1] https://web.archive.org/web/20200112191307/https://politicalbeauty.de/sucht-nach-uns.html
[2] Hansen, Imke. »Nie wieder Auschwitz!“: Die Entstehung eines Symbols und der Alltag einer Gedenkstätte 1945-1955 (Diktaturen und ihre Überwindung im 20. und 21. Jahrhundert) (German Edition). Wallstein Verlag. Kindle-Version.